Kunst ist was?
Eine allgemeine, vereinfachte Definition von Kunst ist die „Verrichtung oder Darstellung, die keinen unmittelbaren Nutzen zur LebensERhaltung erkennen lässt.“ Im Gegensatz zu Handwerk und Dekoration.
Kunstgenuss mit Betrachtung als Teil der Intention ist wesentlicher Teil des künstlerischen Wollens, anders als bloße Dekorationsobjekte.
Kunst-Intention kann beim Betrachten ebenso Freude wie Ekel hervorrufen, ist Teil der Konsumierung und somit parallel künstlerisches Konzept. In früheren Jahrhunderten wurden Kunstwerke geschaffen von Dauerhaftigkeit (Stein, Metall (im Allgemeinen), Bronze als Synonym für hochwertiges künstlerisches Ergebnis, Elfenbein als besonders edles Luxusmaterial (mit heutigem Handelsverbot), Bein und eingeschränkt in der Dauerhaftigkeit: Holz. Holz ist seit Jahrhunderten anerkannt; Schokolade ist als ehemaliger Luxusartikel ebenso wie Fett für Vergänglichkeit seit Jahrzehnten in der Kunst akzeptiert, von Konservatoren und Kuratoren heftig umstritten. Im ursprünglichen Kontext nicht mehr benötigte Materialien werden aktuell mit upcycling aufgewertet, in früheren Zeiten verwendet im Sinne der Arte Povera als Kunstrichtung der 1960/1970er Jahre.
Wo bleiben eigentlich die zweckentfremdeten Materialien?
Ein Fahrradlenker wird zu einem Rinder-Horn, ein Urinal seiner Funktion beraubt, wird zu einem Brunnen, einer Quelle, einer „neuen Herkunft“, einer anderen Sichtweise. Ein Sinn erschließt sich offensichtlich nicht, erst bei dem genauen Betrachten mit Spekulieren und Vergleichen von konventionellen Bildern zeigen sich Wege und Varianten der Gestaltung von Dritten in einem andersartigen Kontext.
Aus Stein aufrecht gestellte mit einer Spitze versehene Säulen heißen Obelisken, symbolisieren die Verbindung der irdischen Sphäre mit der Götterwelt im alten Ägypten, ähnlich der Form einer Pyramide. Auch sie symbolisiert die Sonnenstrahlen als Verbindung der Götter(gedanken)welt zum Irdischen. In der Fachwerkständerbauweise wurden Firstsäulen verwendet, die auf dem Boden aufstanden und bis zum Firstbalken reichten. Die Firstsäule hat die tragende Funktion. Auf ihr lagert der Firstbalken, der das gesamte Dach trägt. Das Dach, ein Schutz, wie ein Mantel Wetterunbilde abhält, trägt und schützt die Firstsäule. Ist ein aufrecht stehender Zahnstocher die Verkleinerung einer Stele, eines Obelisken, einer Firstsäule?
Ein Zahnstocher kann im übertragenen Sinn ebenfalls Lasten nehmen, z. B. die Fasern zwischen den Zähnen, tragen aus statischer Sicht, bewegen mit Dynamik, Intention und Wissen. Vielfältige Diskurse im kunst(historischen) Kontext sind möglich. Je größer ein Werk, desto mehr scheiden sich die Geister und Gemüter. Erst recht, wenn die zur Aufstellung vorgesehenen Werke vom konventionellen Standpunkt abweichen (Niki de Saint Phalle’s Nanas in Hannover) oder sogar den Glauben oder die Ehre Einzelner oder Gemeinschaften verletzen. Für den Petersdom in Rom wurden einzelne Gebäude entfernt, um Neues entstehen zu lassen. Doch wie ist es, wenn die Arbeiten nicht erkennbar sind, weder auf einen ersten Blick, noch auf den Zweiten? Nicht von der Form oder Farbe her, sondern von der Winzigkeit. Wie ist dann die Intention, der Kunstgenuss? Gefertigt sind die Figuren jeweils aus einem einzigen unbenutzten Zahnstocher, von menschlicher Hand, ohne Maschine, allein mit Mikroskop, scharfer Klinge, jahrzehntelanger bildhauerischer Tätigkeit, gepaart mit künstlerischer Intention, einen künstlerischen Diskurs anzuschieben. Im Großen wie im Kleinen. Sind die Zahnstocher-Figuren so neu, dass gleichsames Gedankenbild fehlt? Die Rezeption ist komplex, Intention der Mikrokunst ist einfacher. Es ist ein fehlender Maßstab, der die Skulpturen einzigartig macht. Als Abbild sind die Skulpturen vereinfacht dargestellt, viele verwenden die Vokabel „Plastik“. Plastiken im eigentlichen Sinn werden aus plastischen Massen und Materialien eher auftragend gefertigt. Bei Skulpturen wird Material in erster Linie abgetragen, seltener angefügt, wie beispielsweise bei einer konstruktivistischen Arbeit. In die Zahnstocher-Spitze geschnitzte Figuren mit zum Teil nur 0,3 mm Gesamthöhe lassen kaum Details zu, dafür um so mehr Raum und Volumen für eigenes Vergleichen, egal ob beim direkten makroskopischen Betrachten ohne etwas zu erkennen, oder mit Hilfe eines Mikroskops und sich an den winzigen Details zu stoßen, die beim Fortblicken wieder entschwunden sind. Und doch sind die Skulpturen weiterhin präsent, lassen Optionen offen für Rekursionen im Sinne von „mise en abyme“, d. h. „ohne Boden, „unendlich“ (klein). Ein Bild im Bild im Bild, ähnlich dem Newtonschen Tangentenverfahren. Ein sich Annähern und doch das Ziel nicht erreichen zu können, da die Anfangsbedingung ansonsten fehlerhaft ist. Obwohl das Ausgangsvolumen so winzig ist, lassen sich unendlich viele Figuren in einem geänderten Maßstab schneiden, einzig beschränkt durch das Material „Holz“ auf zellulärer Ebene des Rohstoffes „Zahnstocher“ oder kurzer Cocktail-Spieße. Eine neue Welt für die Betrachter, eine veränderte (Kunst)-Welt im Sehen. Eine Näherung an Dinge, die aus Sicht der Betrachter nicht der Lebens-ER-haltung dienen. Die Figuren-Bilder auf der Internet-Präsenz dürfen für sich sprechen. Hier geht es zu Abbildungen von den Miniaturfiguren: Bilder der Galerie
Weitere Texte: Kunst mit dem Mikroskop